Der interdisziplinär erarbeitete Kompetenzkatalog „DiKoLiS“ bildet fachübergreifend und fachspezifisch konkrete Kompetenzen ab, die (angehende) Lehrkräfte zur Bewältigung der vielfältigen schulischen Aufgaben in einer digitalisierten Welt benötigen. Als Instrument für die Praxis dient der Katalog der kontinuierlichen und systematischen (Weiter-)Entwicklung von Strukturen und Inhalten der Lehrer:innenbildung.
Spätestens seit der Veröffentlichung des Strategiepapiers „Bildung in der digitalen Welt“ durch die Kultusministerkonferenz (KMK) im Jahr 2016 ist klar: Zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule gehört die Förderung von Medienkompetenzen, die für die Teilhabe an der digitalisierten Gesellschaft notwendig sind. (Angehende) Lehrkräfte stehen also vor der Herausforderung, im Schul- und Unterrichtsalltag digitalisierungsbezogene Kompetenzen zu fördern.
Welche Kompetenzen die Schüler:innen in ihrer Schullaufbahn erwerben sollen, wird im Strategiepapier der KMK und in der 2017 erschienenen Konzeption „Medienbildung und Digitalisierung in der Schule“ des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) ausführlich dargelegt. Welche professionellen digitalisierungsbezogenen Kompetenzen (angehende) Lehrkräfte in diesem Zusammenhang benötigen, wird jedoch nicht präzise beschrieben. Damit fehlt der Lehrer:innenbildung eine adäquate Grundlage für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften.
Hier setzte das Verbundprojekt „PraxisdigitaliS – Praxis digital gestalten in Sachsen“ der Universität Leipzig und der Technischen Universität Dresden an. In interdiszipliärer Zusammenarbeit von Projektbeteiligten aus den Grundschul- und Fachdidaktiken, den Bildungswissenschaften, der Sonderpädagogik sowie der Medienpädagogik und der Didaktik der Informatik wurde der Kompetenzkatalog „DiKoLiS“ erarbeitet.
Der Kompetenzkatalog „DiKoLiS“ umfasst zentrale digitalisierungsbezogene Kompetenzen, die Lehrkräfte für professionelles Handeln in den schulischen Aufgabenfeldern Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren benötigen. Neben den spezifischen digitalisierungsbezogenen Kompetenzen des Unterrichtens, Erziehens, Beurteilens und Innovierens umfasst der Katalog informatische, medienpädagogische und vielfaltsbezogene Grundkompetenzen. Diese werden als grundlegende Voraussetzungen für professionelles Handeln von (angehenden) Lehrkräften in allen schulischen Aufgabenfeldern angesehen.
Der Katalog beinhaltet also sieben Kompetenzbereiche. Diese Kompetenzbereiche sind wiederum in Kompetenzfelder untergliedert, für die sich konkrete digitalisierungsbezogene Kompetenzen formulieren lassen. Damit in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, für die der Katalog genutzt werden soll, alle Komponenten von Kompetenz adressiert werden können, werden die digitalisierungsbezogenen Kompetenzen in Wollen (motivational-volitionale Komponente, zum Beispiel Einstellungen), Wissen (Wissenskomponente) und Können (Handlungskomponente) differenziert. Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Bild der Kompetenzen, die für das professionelle Handeln von Lehrkräften in der digitalisierten Welt erforderlich sind.
Die digitalisierungsbezogenen Kompetenzen aus dem Kompetenzkatalog „DikoLiS“ werden unten auf dieser Seite dargestellt. Darüber hinaus wird im Downloadbereich auf die vollständige wissenschaftliche Publikation des Kompetenzkatalogs verlinkt. In der umfangreichen wissenschaftlichen Publikation werden die einzelnen Kompetenzbereiche des Katalogs theoretisch fundiert dargelegt und anhand von Beispielen aus der Schulpraxis in ihrer Relevanz begründet. Die Publikation enthält zudem einige Best-Practice-Beispiele aus dem Projekt „PraxisdigitaliS“. Diese zeigen, wie die Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen in der ersten Phase der Lehrer:innenbildung gelingen kann.
Der Kompetenzkatalog „DiKoLiS“ kann in allen Phasen der Lehrer:innenbildung als Instrument zur Planung, Konzeption und Gestaltung sowie Evaluation von Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten eingesetzt werden. Darüber hinaus kann der Katalog (angehenden) Lehrkräften und auch den Akteur:innen der Lehrer:innenbildung als Instrument zur Selbstevaluation der eigenen digitalisierungsbezogenen Kompetenzen dienen. Dabei bietet der Katalog eine systematische Grundlage, um Bedarfe zu identifizieren, aber auch innovative Entwicklungen und Erfolge aufzuzeigen.
Angesichts des stetigen medialen und gesellschaftlichen Wandels sind die Auseinandersetzung mit digitalisierungsbezogenen Kompetenzen und der Kompetenzkatalog selbstverständlich nicht als abgeschlossen zu betrachten. Der Katalog ist daher vor allem als Kommunikationsgrundlage für eine kontinuierliche und systematische (Weiter-)Entwicklung von Strukturen und Inhalten der Lehrer:innenbildung zu verstehen. Die fachspezifische Erweiterung des Katalogs durch digitalisierungsbezogene Kompetenzen, die im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung in anderen fachdidaktischen sowie fachwissenschaftlichen Bereichen der Lehrer:innenbildung zu fördern sind, ist dabei ausdrücklich erwünscht und wird durch die CC-Lizensierung des Katalogs erleichtert.
Digitalisierungsbezogene Kompetenzen aus dem Kompetenzkatalog "DiKoLiS"
DiKoLiS steht für „Digitalisierungsbezogene Kompetenzen für die Lehrer:innenbildung in Sachsen“. Im Folgenden wird ein Überblick über diese Kompetenzen gegeben, indem die sieben Kompetenzbereiche des Katalogs vorgestellt werden. Jeder Kompetenzbereich ist in Kompetenzfelder gegliedert, für die relevante digitalisierungsbezogene Kompetenzen entlang der Komponenten Wollen, Wissen und Können formuliert wurden.
Digitalisierungsbezogene Kompetenzen in den schulischen Aufgabenfeldern Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren
Zu den schulischen Aufgabenfeldern von Lehrkräften gehören das Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren. Um in diesen schulischen Aufgabenfeldern professionell zu handeln, benötigen (angehende) Lehrkräfte digitalisierungsbezogene Kompetenzen.
Kompetenzbereich Unterrichten – digitalisierungsbezogene fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen
Maja Funke, Friederike Seever, Christina Stiehler, Karl Wollmann & Jörg Zabel
Um digitale Medien im Fachunterricht einzusetzen und dort digitalisierungsbezogene Kompetenzen der Lernenden fachspezifisch zu fördern, benötigen Lehrkräfte fachspezifische digitalisierungsbezogene Kompetenzen. Diese werden im Bereich Unterrichten des Kompetenzkatalogs „DiKoLiS“ ausdifferenziert. Der Bereich umfasst die vier allgemeineren Kompetenzfelder: Dokumentation, Präsentation, Kollaboration und Kommunikation sowie Recherche und Bewertung. In ihrer Anwendung beziehen sie sich jeweils auf fachspezifische Inhalte, Methoden und Tools.
Darüber hinaus werden für jedes Fach individuelle (fachspezifischere) Kompetenzfelder beschrieben. Am Beispiel der Biologie- und Englischdidaktik wird dies illustriert, indem Kompetenzen sowohl für allgemeinere als auch für fachspezifischere Kompetenzfelder entsprechend fachbezogen ausdifferenziert werden. Die Kompetenzkomponente Wissen berücksichtigt fachwissenschaftliche und fachdidaktische Studienanteile und bietet somit Potentiale für die Erweiterung des Kompetenzkatalogs mit Bezug zu fachwissenschaftlicher Lehre im Lehramtsstudium. Besonders in der Kompetenzkomponente Können bietet der Bereich Unterrichten zudem Anschlussfähigkeit für die zweite und dritte Phase der Lehrer:innenbildung.
Kompetenzbereich Erziehen – digitalisierungsbezogene Kompetenzen zur Förderung von Medienkompetenz und Medienbildung
Julia Nickel, Sonja Ganguin & Rebekka Haubold
Schüler:innen sollen im Schul- und Unterrichtsalltag Kompetenzen für die Partizipation an einer digitalisierten Gesellschaft erwerben. Dies ist Teil des schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrags. (Angehende) Lehrkräfte stehen daher der Herausforderung gegenüber, digitale Medien nicht allein als Lehrwerkzeuge im Unterricht einzusetzen, um fachunterrichtliche Ziele zu erreichen. Die Förderung digitalisierungsbezogener Kompetenzen muss in allen Schulfächern gleichermaßen zum Unterrichtsziel werden. Gefördert werden sollen dabei nicht nur arbeitsmarktrelevante Kompetenzen der Schüler:innen. Vielmehr geht es um eine umfassende Medienbildung als Teil ihrer Persönlichkeitsbildung.
Um dieses Erziehungsziel zu verfolgen dürfen Schüler:innen nicht vor digitalen Medien bewahrt werden. Stattdessen geht es darum, sichere Räume für selbstbestimmtes Medienhandeln zu schaffen, Analyse- und Urteilsfähigkeiten zu stärken sowie als Vorbild zu fungieren und durch aktive Medienarbeit Teilhabe an der digitalisierten Schule und Gesellschaft zu ermöglichen. Hierfür benötigen (angehende) Lehrkräfte Kompetenzen in den Feldern Sicherheit geben, Orientierung bieten und Partizipation ermöglichen. (Angehende) Lehrkräfte sind dabei gleichzeitig Ansprechpartner:innen für medienerzieherische Belange aller schulischen Akteur:innen.
Kompetenzbereich Beurteilen – digitalisierungsbezogene diagnostische Kompetenzen für einen lernwirksamen Unterricht
Katrin Gottlebe, Isabel Berger & Brigitte Latzko
Die Beurteilung von Lernvoraussetzungen, Lernprozessen und Lernergebnissen ist die Grundlage für professionelles Handeln von Lehrkräften. Durch die zunehmende digitale Anreicherung der schulischen Lernumgebung ergeben sich neue Chancen und Herausforderungen für diagnostische Prozesse. Digital gestützte Diagnostik kann unmittelbare und individuelle Rückmeldungen zu Lernprozessen ermöglichen und dadurch positiv auf das selbstgesteuerte Lernen der Schüler:innen sowie auf die Adaptivität des Unterrichts einwirken.
Um die Möglichkeiten der Digitalisierung professionell, zielgerichtet und reflektiert in diagnostischen Prozessen nutzen zu können, benötigen Lehrkräfte eine Reihe neuer digitalisierungsbezogener diagnostischer Kompetenzen. Im Kompetenzbereich Beurteilen werden diese in drei Kompetenzfeldern systematisiert: Lernstand digital erheben, digital erhobene Lernstandsdaten auswerten sowie Feedback geben und Lehr-Lernprozesse adaptieren.
Kompetenzbereich Innovieren – digitalisierungsbezogene Kompetenzen zur Implementation und Vermittlung von Innovation in der Bildung
Katrin Gottlebe, Isabel Berger & Brigitte Latzko
Digitalisierung verändert die Rolle, aber auch die Möglichkeiten, von Lehrpersonen und von Schule als Organisation und Lernort. Bildungs- und Erziehungsprozesse in hybriden Szenarien können zeitlich und örtlich flexibler, adaptiver und auch inklusiver gestaltet werden. Auf diese Weise lassen sich erweiterte und neue Lerngelegenheiten schaffen.
Im Kompetenzbereich Innovieren wird aufgezeigt, welche digitalisierungsbezogenen Kompetenzen für Lehrpersonen relevant sind, um Innovationsprozesse im Schulkontext zu implementieren und zu unterstützen. Der Fokus wird erweitert von der einzelnen Lehrperson hin zu strukturellen Kontexten, in denen das Individuum tätig ist, also Schul- und Lehrteams sowie Unterrichtsbedingungen. Orientiert an aktuellen Modellen der Schulentwicklung werden drei Kompetenzfelder vorgeschlagen: Steuerung/Leadership, Kooperation und Kommunikation, die über die drei Ebenen Schule, Unterricht und Lehrperson ausdifferenziert werden.
Digitalisierungsbezogene Grundkompetenzen
Neben den spezifischen digitalisierungsbezogenen Kompetenzen des Unterrichtens, Erziehens, Beurteilens und Innovierens umfasst der Katalog informatische, medienpädagogische und vielfaltsbezogene Grundkompetenzen. Diese werden als grundlegende Voraussetzungen für professionelles Handeln von (angehenden) Lehrkräften in allen schulischen Aufgabenfeldern angesehen.
Informatische Grundkompetenzen
David Baberowski & Nadine Bergner
Informatische Grundkompetenzen (IGK) ermöglichen Lehrkräften aller Schulformen und Fächer bestehende und zukünftige digitale Medien gezielt im Unterricht (zum Beispiel bei der Erstellung individueller Lernpfade) und weiteren Aktivitäten rund, um schulische Bildung (zum Beispiel datenschutzkonforme Kommunikation über Schulgrenzen hinweg) einzusetzen und auftretende Probleme selbständig zu lösen.
Durch den großen Einfluss der Digitalisierung auf alle Lebensbereiche sind IGK darüber hinaus eine wichtige Voraussetzung für alle Lehrkräfte um aktuelle Informatikbezüge in den jeweiligen Fachunterricht zu integrieren (zum Beispiel Möglichkeiten und Grenzen von Sprachmodellen wie ChatGPT im Deutschunterricht oder Funktionsweisen autonomer Fahrzeuge zur Diskussion im Politikunterricht).
Die IGK umfassen fachliche Kompetenzen zu Aufbau und Struktur digitaler Daten (Information und Daten), der Funktionsweise und Vernetzung von Computersystemen (Informatiksysteme und Netzwerke) sowie der Verarbeitung von Daten auf diesen Systemen (Algorithmen). Alle Kompetenzen sollen im Kontext der Anwendung in verschiedenen Fachkontexten und Alltagsbezügen stehen, weshalb sie von der Perspektive Informatik, Mensch und Gesellschaft eingefasst werden.
Medienpädagogische Grundkompetenzen
Sonja Ganguin, Julia Nickel & Rebekka Haubold
Für professionelles pädagogisches Handeln benötigen (angehende) Lehrkräfte in einer digitalisierten Gesellschaft eigene digitalisierungsbezogene Medienkompetenzen und darüber hinaus ein grundlegendes Verständnis von Medienpädagogik. In der Medienpädagogik stehen dabei nicht die digitalen Medien im Mittelpunkt, sondern die mit den digitalen Medien handelnden Menschen. (Angehende) Lehrkräfte sollten zum einen das Ziel verfolgen, Schüler:innen Lern- und Bildungsprozesse mit, über und durch beziehungsweise in digitale(n) Medien zu ermöglichen. Zum anderen sollten sie den schulischen Wandel von Lernen und Lehren mitgestalten.
Hervorzuheben ist aus medienpädagogischer Sicht daher das Kompetenzfeld der Adressat:innenorientierung. Hierbei geht es darum, die Medienwelten von Schüler:innen ernst zu nehmen und deren Medienhandeln sowie die digitalen Medienangebote aus einer kritisch-optimistischen Perspektive mit Offenheit zu betrachten. Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse sind dabei sowohl Chancen als auch Risiken zu berücksichtigen. Voraussetzung für professionelles medienpädagogisches Handeln beim Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren sind grundlegende und situationsspezifische berufsbezogene Medienkompetenzen der Medienkunde, Medienkritik, Mediennutzung und Mediengestaltung.
Vielfaltsbezogene Grundkompetenzen
Hannah Wirths, Svenja Kehm, Heike Tiemann & Christian W. Glück
Auch im schulischen Kontext können digitale Medien dazu beitragen Teilhabechancen insbesondere für benachteiligte Schüler:innen zu erhöhen. Gleichzeitig können sich jedoch auch neue Exklusionsrisiken ergeben. Aus diesem Grund ist es notwendig, digitalisierungs- und vielfaltsbezogene Grundkompetenzen bei (angehenden) Lehrkräften miteinander verknüpft zu fördern und in die Formulierung von Kompetenzkatalogen zu integrieren.
Die digitalisierungs- und vielfaltsbezogenen Grundkompetenzen werden im vorliegenden Kompetenzkatalog in folgende Bereiche unterteilt: die Teilhabe in, Teilhabe an und Teilhabe durch Medien. Die Teilhabe in Medien bezieht sich auf das Bewusstsein für sowie das Erkennen, Verwenden und Erstellen von vielfältigen, diskriminierungs- und stereotypenfreien Unterrichtsmaterialien. Teilhabe an Medien bezeichnet die Gewährung der Zugänglichkeit für alle durch die barrierefreie Gestaltung von Unterrichtsmaterialien. Teilhabe durch Medien wird durch die Förderung der Medienkompetenz der Lernenden ermöglicht, damit diese am (Berufs-)Alltag und am Schulleben vollumfänglich teilhaben können. Dazu gehört auch, assistive Technologien zu kennen und diese bewusst in Lehr-Lern-Situationen zu berücksichtigen sowie integrieren zu können.
Der Katalog digitalisierungsbezogener Kompetenzen für die Lehrer:innenbildung wurde im Rahmen des BMBF-geförderten Drittmittelprojekts „PraxisdigitaliS – Praxis digital gestalten in Sachsen“, einem Verbundvorhaben der Universität Leipzig und der Technischen Universität Dresden, erstellt.