Eine Examensarbeit zu planen, vorzubereiten und zu verfassen ist ein langwieriger Prozess, der sich über mehrere Monate erstreckt. Zwischen dem Zeitpunkt der Anmeldung und Abgabe der Arbeit liegen sechs Monate Schreibzeit. In meinem Fall begann die Planung sogar um einiges früher, denn die anglistische Fachdidaktik regelt die Vergabe der Betreuungsplätze für Abschlussarbeiten durch ein internes Verfahren. So begann ich die Recherche und erste Strukturierung meines Arbeitsprozesses bereits im Mai des Vorjahres, um zum Juli 2023 ein Exposé mit meinem Themenvorschlag einzureichen.
Zu meinem Thema bin ich gekommen, als ich vor einigen Jahren bei Isabell Große in der anglistischen Kulturwissenschaft ein Seminar mit dem Titel „Visual Culture“ belegt habe. Wie der Name schon sagt, ging es dabei um verschiedene Aspekte und Theorien, die uns dabei helfen, visuelle kulturelle Erfahrungen sowie deren Einfluss auf unser Leben, soziale Praktiken und unsere Denkweise zu verstehen und zu analysieren.
Eine wichtige Theorie bzw. Vorgehensweise/Analyse-Tool stammt dabei von Roland Barthes. Er untersuchte anhand eines Werbeplakats welche linguistischen, visuellen und kulturellen Codes in der Werbung zusammenspielen, sodass der Betrachter, der den Werbetext (hier: ein Bild) „liest“, ihn so versteht, wie er vom Marketing-Team konzipiert wurde. Es geht also darum, die Gesamtbedeutung oder „Message“ eines Textes in ihre Einzelteile zu zerlegen und dabei zu untersuchen, wie kulturelle Denkmuster oder Gewohnheiten, die wir im Laufe unseres Lebens erwerben, unser Verständnis/Interpretation von Bildern und Texten prägen.
Die Vorgehensweise, Barthes Bild-Text-Konstrukte zu untersuchen, habe ich im Rahmen der damaligen Prüfungsleistung dann auf Memes übertragen. Das hat sehr gut funktioniert, aber auch deutlich gemacht, an welchen Stellen einer Interpretation/Dekodierung von Memes Medienkompetenz, ein hohes Maß an digitaler Literalität und intertextuelles Wissen notwendig sind – besonders wenn Memes auf popkulturellem Hintergrundwissen basieren.
Meine Examensarbeit mit dem Titel "To meme or not to meme? Eine Auseinandersetzung mit dem didaktischen Potenzial von Internet-Memes und deren Einsatzmöglichkeiten im gymnasialen Englischunterricht" untersucht daraufhin das didaktische Potenzial von (Internet-)Memes im gymnasialen Englischunterricht und konzentriert sich dabei auf deren Beitrag zur umfassenden Entwicklung der fremdsprachlichen Diskursfähigkeit. Dabei wird die Frage gestellt, ob sich Memes für den langfristigen Einsatz im modernen Englischunterricht eignen und welche Inhalte und Kompetenzen durch sie vermittelt werden können.
Es war mir sehr wichtig genau diesen Zusammenhang zu untersuchen, denn Memes sind meiner Erfahrung nach vielfach missverstanden und nehmen oftmals einen randständigen Status in der Bewertung ihrer Relevanz ein. Das liegt daran, dass sie häufig als unbedeutende Internetwitze abgetan werden, denen es an Tiefe fehlt. Dabei sind Memes sehr facettenreich und bereiten ihren Nutzer:innen und Ersteller:innen viel Freude.
Persönlich mag ich solche Memes, die „relatable“ sind, die also eine Situation abbilden, die von vielen Menschen nachvollzogen werden kann, weil es sich um eine menschliche Erfahrung handelt, die fast jeder schon mal gemacht hat. Einen Meme-Komplex, den ich in diesem Zusammenhang gern mag, ist das „Distracted Boyfriend Meme“. Es beschreibt häufig die Situation, in der man tagträumt oder sich nach etwas sehnt, während die Realität nur den Kopf schütteln kann, weil sie ausgeblendet wird. Ich mag aber auch Memes, deren Bildkomponente(n) so willkürlich zusammengesetzt sind, dass sie schon deshalb witzig sind, weil ihnen augenscheinlich der innere Zusammenhang fehlt, sie in Kombination mit dem Text aber Sinn ergeben.
Memes deute ich in meiner Abschlussarbeit – wie eben angedeutet – als kulturelle Artefakte, die aus einer Bild- und Textkomponente bestehen und von vielen jungen Menschen heutzutage als digitale Kommunikationsmittel verwendet werden. Dabei ist es deren Multimodalität und die damit verbundene Dekodierungsanforderung, die mehrere Komponenten des Fremdsprachenlernens einbezieht und sie zu einem effektiven Lerngegenstand macht.
Schüler:innen müssen zunächst das Bild verstehen, also erkennen was darauf abgebildet ist und was es bedeutet. Dann müssen sie den dazugehörigen Text lesen, ihn verstehen und schließlich in Bezug zum Bild setzen. Erst wenn das geschafft ist und sie ggf. (pop)kulturelles/politisches Welt- und Hintergrundwissen mobilisiert haben, erschließt sich ihnen die Gesamtbedeutung des Memes. All diese Schritte können im Englischunterricht versprachlicht werden. Entsprechend stelle ich einen konkreten Ansatz für die Verwendung von Memes im Unterricht vor und entwickle Materialien sowie Kriterien für den schulischen Einsatz und Lernaktivitäten.
Daraus geht abschließend hervor, dass Memes das Potenzial besitzen, sich zu einem bedeutungsvollen Lerngegenstand zu etablieren, der Lernende in ihrer durch digitale Medien geprägten Lebenswelt abholt. Gleichzeitig unterstützt er den umfassenden Ausbau der Diskursfähigkeit in den Bereichen Medienkompetenz, interkultureller Kompetenz sowie funktional kommunikativer Sprachkompetenz. Voraussetzung hierfür ist die durchdachte didaktische Aufbereitung sowie die Offenheit gegenüber ihrem Einsatz – sowohl bei Lehrenden als auch Lernenden. Entsprechend plädiert mein Beitrag für den vermehrten Einsatz von Internet-Memes im Englischunterricht und empfiehlt die weitere Auseinandersetzung mit Memes als didaktischem Forschungsgegenstand.
Im Rahmen der feierlichen Verabschiedung der Lehramtsstudierenden wurde meine Arbeit sogar mit dem Examenspreis des Sächsischen Lehrerverbandes (SLV) und des Zentrums für Lehrer:innenbildung und Schulforschung (ZLS) gewürdigt. Diese Ehrung ist ein sehr besonderer Moment für mich und ich möchte im Folgenden beschreiben, was ich an dieser Auszeichnung schätze.
Dafür muss ich noch einmal auf den Schreibprozess zurückkommen, den ich zu Beginn dieses Texts erwähnt habe. Denn der Schreibprozess selbst ist nicht immer einfach und stets mit Zweifeln verbunden. Man fragt sich, ob man sein Thema angemessen bearbeitet, um der Sache gerecht zu werden, man ist kritisch, überlegt ganz viel an welchen Stellen man kürzen muss. Es ist auch nicht leicht eine relevante und originelle Fragestellung zu finden, aber wenn man das geschafft hat, geht ganz viel Herzblut in die Arbeit hinein und man versucht etwas Besonderes herzustellen. In diesem Sinne ist der Examenspreis eine Art Validierung, dass das tatsächlich gelungen ist und sich die Arbeit sowie die vielen Entscheidungen im Schreibprozess ausgezahlt haben und erfolgreich waren. Der Examenspreis bedeutet mir aber auch viel, da damit nicht nur meine Arbeit geehrt wird, sondern ich auch repräsentativ für alle Absolvent:innen und deren Leidenschaft, Mühe und Engagement – sowohl akademisch als auch gesellschaftlich – stehe.
Außerdem ist es unglaublich toll, durch die Ehrung ein Bewusstsein über die Inhalte der Abschlussarbeiten zu schaffen. In meinem Fall freue ich mich sehr, dass die Jury - entgegen gängiger Vorurteile über Memes – deren Potenzial erkannt hat und meinen Beitrag hervorgehoben hat. Ich hoffe, dass dadurch in Zukunft auch andere Absolvent:innen und Lehrkräfte die Vision teilen und Memes vermehrt in ihren Unterricht einbringen.
Da sich Studierende nicht selbst für den Examenspreis bewerben können, bin ich auch sehr dankbar, dass meine Betreuerinnen Isabell Große und Fiona Hynes die Nominierung hierzu überhaupt möglich gemacht haben.
Mein Tipp für alle, die gerade oder zukünftig an ihrer Examensarbeit schreiben: Vertraut auf euer Gefühl und euren eigenen Stil! Als Lehramtsstudierende haben wir schon viele Hausarbeiten geschrieben und jeweils individuell herausgefunden, was für uns am besten funktioniert. Sei es wie wir vorgehen, wenn wir recherchieren, wo, wann oder wie wir arbeiten und in welchem Schreibstil wir unsere Texte formulieren. Daran würde ich festhalten, Snacks parat haben und (mentale) Unterstützung durch Freunde, Familie, und/oder die Mentor:innen einholen.
Ihr schafft das!